Russisches Gambit – Gefahren eines globalen Handelskrieges

Russisches Gambit – Gefahren eines globalen Handelskrieges

Russisches Gambit – Gefahren eines globalen Handelskrieges

  • Von Memocine Admin
  • Am 3. September 2014
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Der russische Präsident Putin hatte das Importverbot gegen eine Reihe westlicher Lebensmittel kaum verkündet, da meldeten sich schon erste westliche „Experten“ zu Wort, die in dieser Entscheidung eine unüberlegte Trotzreaktion Moskaus sehen wollten, unter der am Ende primär die russischen Konsumenten leiden würden. Dies könnte sich jedoch als gefährliche Fehleinschätzung herausstellen. Um besser zu verstehen, welchen Plan die Herren im Kreml wirklich verfolgen, sollte man sich für einen Moment in die Denkweise eines Schachspielers versetzen.

Wladimir Putin hat in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass er sich in seinem Denken und Handeln vom königlichen Spiel inspirieren läßt. So kann man beispielsweise den Ämtertausch zwischen ihm und Dmitri Medwedew als „politische Rochade“ bezeichnen. Wer die Initiative auf den 64 Feldern ergreifen will, muß aber zu weitreichenden Opfern bereit sein. Bei einem sogenannten „Gambit“ bietet einer der Spieler seinem Gegner eine Figur an. Dafür erhält der Opfernde eine Reihe von Vorteilen, die den temporären Verlust mehr als kompensieren. Der Zugewinn der Krim als neues russisches Staatsgebiet übersteigt schon an sich die vom Westen verhängten Sanktionen. Darüber hinaus hat dieser Schachzug viele russischen Putinkritiker verstummen lassen. Ihnen fällt es zunehmend schwerer, die geopolitischen Spiele der USA und der EU in der Ukraine und damit die als Gefährdung des unmittelbaren russischen Hegemoniebereiches zu ignorieren.

 

Russische Gründerzeit

Nie war Rußland so vereint wie seit dem „großen vaterländischen Krieg“ gegen Hitler-Deutschland. Genau dieses motivierende Feindbild bietet Putin die historische Chance eines der größten Investitionsprogramme in der russischen Geschichte in Gang zu setzen. Allerdings ohne die Beteiligung westlicher Konzerne. Gewinner könnten eher japanische, chinesische und indische Ingenieure sein, die in enger Kooperation mit russischen Unternehmen „Rohstoffe für Wissen und Technologie“ tauschen. Der Länder, die von Putin und russischen Spitzenpolitikern auffallend oft besucht werden. Deren mit russischer Hilfe aufgebauten Wettbewerbsvorteile gegenüber westlichen Unternehmen würden langfristig erheblich größeren Schaden anrichten als die kurzfristigen Opfer, welche die russische Bevölkerung für den Verzicht auf Deutsche Milch und Butter. Im Agrarsektor haben lateinamerikanische aber auch afrikanische Länder schon lange auf eine Chance gewartet, mit der sie westliche Brands verdrängen können. Der landesweite Verzicht auf westliche Importware wirkt wie Traubenzucker für ein neues kollektives Gedächtnis.

 

Für US-Unternehmen mögen die Sanktionen kaum spürbar sein. Der unter der Regierung Obama ausgerufene „Cold War 2.0“ gegen Moskau wie auch die unter NSA-Generalverdacht stehende amerikanische IT-Branche hat bereits jetzt zu einem spürbaren Umdenken russischer B2C- aber auch B2B-Kunden geführt. Hauptverlierer eines Handelskrieges, dessen unterste Eskalationsstufe wir momentan erleben, werden europäische und insbesondere Deutsche Anbieter sein, die bereitwillig den US-Sanktionsvorschlägen folgen und sich dadurch von einem strategischen Wachstumsmarkt und den bereits getätigten Milliarden-Investitionen verabschieden dürfen. Washington darf sich schon jetzt über einen gelungenen Stellvertreter-Krieg freuen, den Europa für die USA führen.

 

Im März empfahl die Bildzeitung der Bundeskanzlerin sechs Dinge, die Rußland wirklich wehtun. Die vorgeschlagene „Wegnahme der Fußball-WM“ als Form des sportlichen Boykotts würde die FIFA endgültig explodieren lassen. Unter Punkt sechs nationaler Vergeltungsmaßnahmen solle man russische Lieferverträge kündigen und sein Glück in Norwegen suchen. Zudem habe man bis zum Rand gefüllte strategische Gasreserven. Ein solcher Strategiewechsel würde einen Kraftakt erfordern, der einer zweiten Energiewende gleich käme. Zudem würden eine Reihe europäischer Staaten, die sich nicht in der Deutschen Komfortzone bewegen, ohne russisches Erdgas einen energiepolitischen Suizid begehen.

 

Spätestens, wenn Kiew gegenüber der EZB seinen finanziellen Offenbarungseid abgeben wird, wird die ukrainische Bevölkerung sehen, ob sie eher von der europäischen oder von der russischen Seite Unterstützung erwarten darf. Dies könnte schon vor dem nächsten Winter sein.

 

Sobald die ersten ökonomisch schmerzhaften Verluste durch das russischen Gambits in Europa – insbesondere in Frankreich und Polen – zu spüren sein werden, wird die Bereitschaft sinken, für die Staatsschulden in Kiew aufzukommen. Ratingagenturen kalkulieren neben Altschulden in Höhe von 40 Mrd. Dollar über weitere 49 Mrd. Dollar Neuschulden bis 2018.

 

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