LKW-Kartell als PR-Herausforderung

LKW-Kartell als PR-Herausforderung

LKW-Kartell als PR-Herausforderung

  • Von Memocine Admin
  • Am 3. Oktober 2016
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LKW-Kartell als PR-HerausforderungIm Jahr 1928 hat der Mathematiker John von Neumann erstmalig eine spieltheoretische Variante beschrieben, in der die Kooperation auch unter Wettbewerbern Vorteile für die Partner verspricht. In der Praxis vergessen leider viele Manager, dass derartige Win-Win-Situationen einer „Co-opetition-Strategie“ schnell zu Lasten der Nachfrager gehen. So muss bei einem Nullsummenspiel immer einer die Zeche zahlen. Und das ist in der Regel der Kunde. Dabei erscheinen in einer Zeit des Hyperwettbewerbs Absprachen zwischen der Konkurrenz so logisch zu sein. Bereits der chinesische Feldherr Sun Tzu hat doch gesagt: „Wahrlich siegt, der nicht kämpft.“ Falsch!

Sobald Konkurrenten versuchen, durch eine Kooperation den Wettbewerb auszuhebeln und eine gemeinsame marktbeherrschende Stellung aufzubauen, drohen empfindliche Sanktionen. Neben Geldbußen von bis zu 20% eines Jahresumsatzes winken jedem Wirtschaftsstraftäter nachhaltige Imageprobleme.

Die Mitglieder eines illegalen Kartells sind sich trotzdem auch nach einer Enttarnung so sicher, dass die Details ihrer geheimen Absprachen für eine Kartellrechtsklage nicht ausreichen werden. So begannen beispielsweise die Untersuchungen zum LKW-Kartell bereits im Jahr 2011. Aber erst im Juli 2016 hat die EU-Kommission gegen vier Lastwagenhersteller eine Strafe in Höhe von insgesamt 2,9 Mrd. Euro verhängen können. War es das?

Nein! Auch wenn die Berichterstattung über das Ereignis angesichts einer Vielzahl neuer Krisenthemen vorerst in den Hintergrund geraten ist, so erschüttern derartige Kartellrechtsverstöße nachhaltig gewachsene Vertrauenssysteme zwischen Anbietern und Nachfragern.

 

Je mehr sich ein Prozess verzögert, desto größer die Unsicherheit

So bleibt beispielsweise im Fall des LKW-Kartells bei den Großkunden der Autohersteller und Logistikindustrie das unwohlige Gefühl jahrelang über den Tisch gezogen worden zu sein. Autovermieter und deren Gesellschafter werden sich die Frage stellen müssen, wie sie vor einer drohenden Verjährung ihr Geld zurückbekommen können. Wer bezahlt aber den Imageverlust der Autovermieter gegenüber den Endkunden, die insbesondere bei Autovermietern mit höheren Preisen für guten Service die Weitergabe der Kosten für den Kartellrechtsverstoß vermuten? Und dann sind da noch die Banken die möglicherweise eine Wertberichtigung der Bilanzen der Autovermieter fordern werden…

 

Egal, ob wir über Kaffee-, Zucker-, Zement- oder LKW-Kartell sprechen. Neben dem juristischen und ökonomischen Impact stellt jedes dieser Ereignisse auch ein Kommunikationsproblem mit einer Vielzahl kritischer Stakeholder dar. Sie alle wollen klare Antworten darauf, was wann wie und wo passiert ist und wer vor allem dafür die Verantwortung trägt. Unbeantwortete Fragen laden zu Spekulationen ein. Immerhin bestehen hier auch gewachsene Abhängigkeiten zu einzelnen Marken. Schnell kann dadurch ein abstraktes Kartellrechtsthema ungewollt mit dem Namen eines einzelnen Autovermieters oder Logistikunternehmens verknüpft werden. Das gleiche Muster findet sich bei zahlreichen anderen Kartellrechtsverstößen.

 

Vertrauen muss man zurückgewinnen und kommunizieren

Für die LKW-Hersteller stellt ein Kartellrechtsverstoß noch eine ganz andere Herausforderung in der Kommunikation dar. Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, sollte nach der Überprüfung der Compliance Richtlinien proaktiv deren Nachweis gegenüber den Autovermietern und Logistikunternehmen kommuniziert werden. Ohne die Intensivierung der B2B-Kommunikation kann ein Produzent möglicherweise den Moment verpassen, in dem ein Großkunde intern eine Blacklist für Lieferanten erstellt und sich nach alternativen Anbietern auf die Suche macht. Aber auch die geschädigten B2B-Kunden sollten den Vorfall zum Anlaß nehmen, um idealerweise einen branchenweiten Standard für Compliance zu entwickeln, der dann ebenfalls proaktiv an die Endkunden kommuniziert wird. Nur durch einen offenen und transparenten Umgang mit einem sowieso in der Öffentlichkeit bekannten Problem läßt sich das Vertrauen langfristig zurückgewinnen.

 

Spagat zwischen business as usual und Litigation-PR

Auch wenn alle Beteiligten sich nach einer schnellstmöglichen Rückkehr zur Normalität sehnen, so ist und bleibt ein Kartellrechtsverstoß eine Wirtschaftsstraftat. Um Schadensersatzansprüche durchzusetzen, muß der Geschädigte souverän und zielstrebig auftreten. Die mißbrauchte Marktmacht der Anbieter stellt die Nachfrager dabei regelmäßig vor die Frage, wie man einerseits klagen kann und sich andererseits im Projektalltag trotzdem in die Augen schaut. Da derartige Sachzwänge der Kommunikation nicht allein bei einem einzelnen Unternehmen liegen, sondern die ganze Branche betreffen, empfiehlt sich ähnlich wie bei Sammelklagen die Projektkommunikation der geschädigten Kunden über eine zentrale Projektorganisation laufen zu lassen. Neben einer Kanzlei bietet sich bei Rückforderungen in Milliardenhöhe eine externe Pressestelle an, die sich eng mit den Anwälten der Kläger abstimmt. Ein zwischen den Klägern koordinierter PR-Masterplan unterstützt je nach Prozesstaktik verschiedene Eskalations- und Deeskalationsszenarien, um so die Interessen der Geschädigten bestmöglich zu vertreten. Eine solche Litigation-PR unterstützt zugleich die Anwälte. Öffentlicher Druck kann die Durchsetzung von Forderungen bzw. die Ausarbeitung eines akzeptablen Vergleiches beschleunigen. Einzelne Medienanfragen an geschädigte Unternehmen können zentral beantwortet werden.

Kartellrechtsverstöße sollten insofern nie als rein juristisches oder ökonomisches Issue interpretiert werden. Wer die Kommunikations- und Deutungshoheit in solchen Fällen gewinnen will, sollte sich auch immer die Frage stellen, wie man das Geschehene den betroffenen Zielgruppen erklärt.

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