1×1 des Kartellrechts – Teil 1: Das Kartellverbot

1×1 des Kartellrechts – Teil 1: Das Kartellverbot

1×1 des Kartellrechts – Teil 1: Das Kartellverbot

  • Von Memocine Admin
  • Am 15. Februar 2017
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Das dem Schutz des Wettbewerbs dienende Kartellrecht gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Gefahr von Bußgeldern in Millionen- oder gar in Milliardenhöhe hat zugenommen und kann selbst Marktführer in existentiell bedrohliche Situationen bringen. Das Wissen über das 1×1 des Kartellrechts darf nicht alleine Chefsache bleiben; es sollte an alle Führungskräfte und Mitarbeiter in Schlüsselpositionen weitergegeben werden. Das erleichtert im konkreten Fall die Einschätzung u.U. bestehender (Kartellrechts-) Risiken.

Die Kartellbehörden verfolgen nicht allein Preisabsprachen oder Marktaufteilungen sondern verstärkt auch Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Lieferanten und Abnehmern. Das große Schadenspotential wird durch die Möglichkeit privater Schadensersatzklagen seitens der Geschädigten erheblich verstärkt.

Dieser 1. Teil des 1×1 zum Kartellrecht konzentriert sich auf das Kartellverbot und seine wesentlichen Punkte. Die Ausgangslage ist zuerst immer, ob ein verbotenes Kartell vorliegt.

Das Kartellverbot und wen es angeht

In Deutschland und in der EU dürfen Unternehmen keine Vereinbarungen treffen, die Wettbewerbsbeschränkungen bezwecken und/oder verursachen (sog. Kartellverbot). Auch aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen mit derselben Zweckrichtung sind untersagt.

Beispiel
Vertriebsmitarbeiter von zwei einer Ausschreibung teilnehmenden Aktiengesellschaften sprechen sich dahingehend ab, dass in der benannten Ausschreibung ein spezifischer Angebotspreis nicht unterschritten wird. Das ist eine klare kartellrechtswidrige Vereinbarung.

Das Kartellrecht kommt grundlegend nur bei wirtschaftlichen Betätigungen von Firmen zum Tragen. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist dabei jedes Anbieten von Waren oder Dienstleistungen am Markt. Auf eine Gewinnerzielungsabsicht kommt es nicht an, sodass auch Freiberufler als „Unternehmen“ betroffen sein können. Auch für Verbände als Unternehmensvereinigungen gilt das Kartellrecht.

Jeder Mitarbeiter kann durch sein Verhalten die kartellrechtliche Haftung auslösen. Die den Kartellrechtsverstoß begehenden Mitarbeiter müssen im Rechtsverkehr für ihr Unternehmen nicht einmal vertretungsberechtigt sein (vgl. Beispiel).

Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des Kartellverbots liegen dann vor, wenn das Angebots- oder Nachfrageverhalten eines Unternehmens (= wettbewerbliche Handlungsfreiheit) beschränkt wird. Typische Wettbewerbsbeschränkungen sind beispielsweise:

Horizontale (= zwischen Wettbewerbern vereinbarte) Verstöße:

– Preis- und Konditionenabsprachen
– Marktaufteilungen (z.B. nach Absatzmärkten, Kunden oder Quoten)
– Informationsaustausch/Benchmarking
– Einkaufs-/Vertriebskooperationen

Vertikale (= zwischen Lieferanten und Abnehmern vereinbarte) Verstöße:

– Preisvorgaben
– Bestpreisgarantien, Meistbegünstigungs- oder Paritätsklauseln
– Alleinbezugs- oder Alleinbelieferungspflicht
– Ausschließliche Vertriebsgebiete/Alleinvertriebsrecht
– Selektive Vertriebssysteme
– (Online-) Handelsbeschränkungen

Ein Kartellrechtsverstoß liegt bereits dann vor, wenn eine Wettbewerbsbeschränkung bezweckt wurde. Irrelevant ist hierbei, ob die getroffenen Vereinbarungen umgesetzt wurden oder nicht.

Beispiel
Unternehmer D aus Deutschland und Unternehmer N aus den Niederlanden vereinbaren, dass sie nur Kunden aus ihrem jeweiligen Heimatland beliefern. Beide halten sich nicht an diese Absprache. Es liegt ein Verstoß gegen das Kartellverbot vor, auch, wenn faktisch die vereinbarte Marktaufteilung nicht erfolgte.

Selbst wenn eine Wettbewerbsbeschränkung nicht bezweckt wurde, verstößt eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise gegen das Kartellverbot, wenn durch sie faktisch eine Wettbewerbsbeschränkung ausgelöst wurde.

Relevanz

Nicht jede Wettbewerbsbeschränkung stellt automatisch einen Kartellrechtsverstoß dar, denn eine realisierte oder zumindest bezweckte Wettbewerbsbeschränkung muss auch spürbar sein. Die EU-Kommission sagt hierzu (De-Minimis-Bekannmachung), dass Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern grundsätzlich dann „nicht spürbar“ sind, wenn ihr kumulierter Marktanteil nicht mehr als 10 Prozent beträgt. Bei Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Abnehmern wird diese Spürbarkeitsschwelle erst bei mehr als 15 Prozent Marktanteil erreicht. Wird die genannte „Spürbarkeitsschwelle“ nicht erreicht, so liegt grundsätzlich auch kein Kartellrechtsverstoß vor.

Diese Spürbarkeitschwelle entfällt allerdings bei gravierenden Kartellrechtsverstößen – das sind vor allem beabsichtigte Wettbewerbsbeschränkungen, die ohnehin stets ihre Spürbarkeit indizieren.

Kontrolle anstatt Kumulation

Ausnahmen

Dennoch: Selbst relevante Wettbewerbsbeschränkungen und konkrete Verhaltensweisen können ausnahmsweise vom Kartellverbot befreit sein:

Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen können zulässig sein, wenn sie die Effizienz steigern (z.B. Kosteneinsparungen oder qualitative Verbesserungen) und die Abnehmer dadurch entsprechend günstigere oder qualitativ hochwertigere Produkte erhalten.
Das Kartellverbot erfasst außerdem keine Vereinbarungen und/oder abgestimmtes Verhalten von Unternehmen sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, die zur Verbesserung der Warenerzeugung oder zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen (= Effizienzgewinne) die Kunden in angemessenem Umfang an den Effizienzgewinnen teilhaben lassen, nur zur Effizienzgewinnung unerlässliche Wettbewerbsbeschränkungen vorsehen und die den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Produkte nicht ausschalten.

Zur Konkretisierung dieser Ausnahmen hat die EU-Kommission entsprechende Gruppenfreistellungsverordnungen samt zugehöriger Leitlinien veröffentlicht. Auf diese Verordnungen verweist § 2 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) explizit. Die Kartellbehörden stellen damit allerdings keine „Freischeine“ aus: Die Beurteilung der unternehmerischen Verhaltensweisen fällt also in den Verantwortungsbereich der Firmen selbst.

In der Praxis sind die sog. Horizontal-Leitlinien (behandeln Verhaltensweisen zwischen Wettbewerbern) und die Vertikal-Leitlinien (behandeln Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Abnehmern) am wichtigsten.

 

Fazit

Jede Vereinbarung oder Verhaltensweise im Rahmen wirtschaftlicher Betätigungen am Markt, die zu wettbewerbsbeeinträchtigungen geeignet ist, trägt das Risikopotential zu einem schmerzhaftem Kartellrechtsverfahren. Kartellrechtsverstöße können mit empfindlichen Geldbußen geahndet werden und provozieren zusätzliche zivilrechtliche Schadenersatzforderungen durch die Kartellgeschädigten. Zur Vermeidung existenzgefährdender Bußgelder und Schadenersatzforderungen, ist die Schulung und Sensibilisierung des Managements sowie der Mitarbeiter essentiell. Durch (kartellrechtlich) optimierte Arbeitsabläufe, wirksame Compliance-Regeln und geschultes Personal können viele Risiken bereits im Vorfeld vermieden werden.

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Ausblick

Die folgenden Teile des 1×1 behandeln grundsätzliche prozessuale Fragen zum Kartellverfahren (vor dem Bundeskartellamt und vor der EU-Kommission) und sprechen die zivilrechtlichen Folgen eines Kartellrechtsverstoßes an. Abschließend folgen einige präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Kartellrechtsverstößen – die sogenannte kartellrechtliche „Compliance“.

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