1×1 des Kartellrechts – Teil 2: Marktmacht
1×1 des Kartellrechts – Teil 2: Marktmacht
- Von Memocine Admin
- Am 11. Mai 2017
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Im freien und fairen Wettbewerb streiten Unternehmen darum, einen Markt zu gewinnen und ihn im besten Fall anzuführen und/oder zu dominieren. Legitim ist die Erreichung und der Erhalt dieses Ziels aber nur, solange fair gespielt wird. Das Kartell- und Wettbewerbsrecht gibt hier die Spielregeln vor, um jedem Mitspieler die gleichen Möglichkeiten zur Zielerreichung einzuräumen und den Wettbewerb zu erhalten.
Ein grundlegendes Kriterium, an dem sich die Spielregeln am Markt orientieren, ist die Marktmacht eines Unternehmens.
Marktmacht
Unternehmen, die einen Markt dominieren, werden als marktbeherrschend bezeichnet. Diese Firmen sind in Ihrem Markt kaum Wettbewerb ausgesetzt oder dominieren ihn durch eine Ausnahmestellung. Die übrigen Markteilnehmer können in so einem Fall keinen Wettbewerbsdruck auf das beherrschende Unternehmen ausüben. Das spiegelt sich regelmäßig in den Marktanteilen, der Finanzkraft und/oder dem Marktzugang – sowohl auf Beschaffungs- als auch Absatzseite – wieder.
Das deutsche Recht vermutet eine beherrschende Stellung ab einem Marktanteil von mindestens einem Drittel. Das europäische Recht setzt demgegenüber erst bei höheren Anteilen an. Im Unterschied zum europäischen Recht, kennt der deutsche Gesetzgeber zusätzlich marktstarke Unternehmen, also solche, von denen andere Firmen abhängen. Besitzt eine Firma keine (zumutbaren) Alternativen zu einem marktstarken Unternehmen, dann ist es von diesem abhängig.
Schließlich können auch mehrere Unternehmen gemeinsam einen Markt beherrschen (Oligopole). Eine gemeinsam marktbeherrschende Stellung vermutet der deutsche Gesetzgeber immer dann, wenn drei oder weniger Unternehmen zusammen mindestens 50 Prozent Marktanteil erreichen (Oligopolvermutung) oder wenn fünf oder weniger Unternehmen einen Marktanteil von mindestens zwei Dritteln auf sich vereinen.
Im europäischem Recht sind Oligopole Unternehmenszusammenschlüsse, die dauerhaft eine gemeinsame Preispolitik verfolgen, Verstöße wirksam sanktionieren können und deren Absprachen Wettbewerber, Abnehmer und Zulieferer machtlos ausgeliefert sind.
Missbrauch der Marktmacht
Der Missbrauch der Marktmacht, die Diskriminierung oder Behinderung anderer Unternehmen löst i.d.R. einen Verstoß gegen das Kartell- und Wettbewerbsrecht aus. Dabei kann innerhalb von Oligopolen grundsätzlich das Verhalten jedes am Oligopol beteiligten Unternehmens, den Missbrauch der marktbeherrschende Stellung darstellen.
Konkret kann es allerdings schwierig sein, verbotenes von erlaubtem Marktverhalten zu trennen. Denn auch drastische Maßnahmen oder die Diskriminierung von Kunden, Wettbewerbern und Zulieferern können immer auch sachlich gerechtfertigt und damit rechtlich zulässig sein.
Beispiele
- “Blacklists” (= Ausschluss bestimmter Abnehmer und Zulieferer; sachl. Rechtfertigung z.B.: Erschütterung des gegenseitigen Vertrauensverhältnisses z.B. durch geschäftsschädigendes Verhalten)
- Koppelungsverbot (= Verkauf nur bei Abnahme zusätzlicher Produkte; eine sachliche Rechtfertigung istd.R. nicht möglich)
- Lieferverweigerung (sachliche Rechtfertigung z.B. als selektiver Vertrieb)
- Nötigung zur Gewährung unangemessener Vorteile (z.B. zu besonders günstigen Einkaufskonditionen; keine sachliche Rechtfertigung möglich)
- Preisdiskriminierung (sachliche Rechtfertigung z.B. mit angeblichen Ersparnissen (Logistik, Produktion, Vertrieb) bei höherer Abnahmemenge)
- Rabatte (besonders problematisch sind “Treue-” bzw. “Umsatzrabatte”; Mengen- und Funktionsrabatte sind demgegenüberd.R. problemlos möglich)
- Untereinstandspreisverkauf (Produkte werden zu einem Preis verkauft, der unter den Produktionskosten liegt; sachlich Rechtfertigung z.B.: Anpassung an den Wettbewerbspreis, der nicht unter Einstand liegt)
Wer glaubt, dass sich temporäre Mehreinnahmen durch Bildung eines Kartells rechnen könnten, spielt russisches Roulette mit der eigenen Firma, seinen Angestellten, Anteilseignern und Kunden. Selbst wenn die Aufdeckung eines Kartells erst nach Jahren oder gar Jahrzehnten erfolgt, so gefährden die Bußgelder viele Unternehmen in ihrer Existenz. Hinzu kommen die strafrechtlichen Konsequenzen für das Management (national wie international) und ein nachhaltiges Negativimage für die betroffenen Unternehmen.
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